Die Struktur des Allgemeinen Raums (1)
Wovon wir sprechen ... ist Wissen
Es war einmal
ein tapferer junger Mann, der auszog, die Welt zu befreien von den Problemen der Philosophie, an denen diese vielleicht schon von Anbeginn an leidet. Er hatte herausgefunden, dass jene Probleme dadurch entstehen, dass "die Logik unserer Sprache" missverstanden wird, wie er im Vorwort eines Buches schrieb, das eben diese Logik darlegte und so "die Probleme im Wesentlichen endgültig" löste.
Seine Lösung bestand darin, damit aufzuhören, die Elemente unserer Sprache in einer Weise zu gebrauchen, die sie ihrer Bedeutung beraubt, für Zwecke, die sie nicht erfüllen können, insbesondere metaphysische.
Sein kleines (aber tiefschürfendes) Buch schloss mit "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen".
Der Autor wurde ein sehr bekannter und überaus einflussreicher Philosoph - auch wenn er nicht aufhörte, typische philosophische Denkweisen als eine Art Krankheit zu diagnostizieren. Immerhin fand er später, nach Jahren fernab akademischer Philosophie, eine Berechtigung für Philosophen eines neuen Typs (wie ihn selbst): ihre Aufgabe sollte es sein, uns von dergleichen Leiden zu kurieren.
Dafür entwickelte er eine spezielle Methode: Wann immer auf verdächtige sprachliche Äußerungen gestoßen wird, sollte gefragt werden, ob die benutzten Wörter und Redewendungen angemessen gebraucht werden, in Übereinstimmung mit den (meist ungeschriebenen) Regeln der Gewohnheit.
Zu sprechen und zu schreiben heißt, ein Spiel zu spielen. Dessen Teilnehmer müssen sich darauf verlassen, dass alle dasselbe Spiel nach denselben Regeln spielen. Andernfalls kommt es unweigerlich zu Missverständnissen.
Einzelne Spielzüge haben ihren Sinn nur im Gesamtzusammenhang des Spiels. Wie auch jedes einzelne "Sprachspiel" seine Bedeutung erst dadurch erhält, dass es mit anderen verknüpft ist, auch mit non-verbalen Spielen, und schließlich mit dem Gesamtzusammenhang gesellschaftlicher Interaktion.
Mit der von unserem Autor entwickelten Methode ist es oft überraschend einfach zu zeigen, woher scheinbar ernste grundsätzliche philosophische Probleme eigentlich stammen: Einzelne Bestandteile der Sprache wurden aus jedem gewohnten Zusammenhang gerissen. So ging ihre Bedeutung verloren.
Diese Bedeutung kann nun in endlosen tiefschürfenden Spekulationen ergründet werden...
Wie unser junger Autor bezüglich seiner eigenen Arbeit (im Vorwort des einzigen Buches, das er je veröffentlicht hat) feststellen musste: "... wie wenig damit getan ist, dass die Probleme gelöst sind"!
Heute
haben wir Cumputer und Internet. Und viele Kommunikationsmittel mehr. Die neuen Medien. Soziale Medien. So viel mehr Medien und Kanäle und so als je zuvor. Und ihre Zahl wächst. Und die Zeit, die wir mit ihnen verbringen.
Die "Logik unserer Sprache" muss also nachgerüstet werden. Sprechen und schreiben ist nicht genug. (Obwohl selbst verbale Kommunikation allein schon komplex genug ist...)
Gibt es also eine Logik der Kommunikation? - Genau das ist es, was wir suchen. Was wir zu beschreiben versuchen. Zu entwickeln.
Aber letztlich ist auch "Kommunikation" nicht genug. Und "Logik" mag das falsche Wort sein. Denn es ist besetzt. Es ist weitestgehend reserviert für Sprache und diese Dinge, für Aussagen, Wahrheitswerte.
Kommunizieren Computer miteinander? Kommunizieren wir mit unserem Smartphone, ist das elektronische Gerät unser Kommunikationspartner? Ist Interaktion Kommunikation? - Vielleicht könnte man so sagen.
Vielleicht können wir sagen, dass Dinge, die interagieren, etwas austauschen, Information oder so. Daten. Und dieser Austausch mag dann "Kommunikation" genannt werden.
Womöglich können wir sogar noch weiter gehen und sagen, dass jede Art der Interaktion im Wesentlichen solch eine Kommunikation ist. Von der Substanz her. Womöglich gibt es letztlich nichts anderes. Nichts als Kommunikation...
Doch damit solche Aussagem einen Sinn haben, etwas bedeuten, müssen die benutzten Begriffe in einen Kontext eingebettet sein, der ihnen diesen Sinn gibt. Eine Art Spiel. Das mehr ist als nur ein Spiel, das eingebettet ist in unser Leben. Mit praktischen Konsequenzen. Von realem Nutzen.
Für die Zukunft
brauchen wir wohl ein neues Spiel. Ein Spiel, das uns Kommunikation in den Griff bekommen lässt. Wie auch jede andere Form von Interaktivität. Ein Spiel, das wohl mit Daten gespielt wird.
Aber natürlich können derartige Spiele (ähnlich wie "Sprachspiele") nicht einfach am Reißbrett entworfen werden. Indem ein paar Regeln aufgestellt werden oder so. Aus der Luft gegriffen. Vielmehr müssen sie auf soliden Fundamenten aus bestehenden Praktiken beruhen. Diese können dann präzisiert werden, abstrahiert, verallgemeinert. So dass ein System aus Begriffen oder Zeichen oder was immer entsteht. Die ihre ursprünglichen Bedeutungen noch nicht vollständig verloren haben. Und neue dazubekommen, durch neue Anwendungen.
Was aber ist dann der Sinn des Ganzen, des Systems? Wofür steht dieses? Wofür wird es gebraucht? - Interaktionen, Daten, Informationen, Bedeutungen... Der vielleicht beste Begriff, der all dies (und mehr) trifft, ist Wissen.
Ein System des Wissens: das ist es also, was wir entwerfen. Das ist es, worüber wir reden. Ein System für alles, was wir wissen, alles, worüber wir reden können. Alles, wovon wir Daten haben können. All das, was wir - in welcher Form auch immer - haben können.
Ist also letztlich alles Wissen? Ist Wissen alles? - Nun, wir können immer sagen (und darauf beharren) dass es noch etwas anderes gibt (geben muss) jenseits von Wissen. Sobald wir es jedoch in Betracht ziehen, auf welche Weise auch immer, ist es Wissen - im weitesten Sinn sozusagen. In dem Sinn, der hier entwickelt wird.
Solange wir ein Spiel spielen und uns in seinem Rahmen bewegen, solange wir in seiner Welt leben, ist alles, was geschieht, Teil dieses Spiels. Um etwas anderes zu erleben, müssen wir das Spiel verlassen. Ein anderes spielen.
Dann können wir vielleicht von Dingen sprechen, von denen man vorher nicht sprechen konnte. Sinnvollerweise...