Die Struktur des Allgemeinen Raums (2)
Wir wissen
Wir sind Mitglieder
einer Familie, einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft, einer ... Im Allgemeinen werden wir hier von einer "Gruppe" sprechen. Es gibt immer irgendeine Gruppe, deren Mitglied wir sind. Tatsächlich gibt es immer mehr als eine. Wir gehören vielen Gruppen an auf, wie wir sagen könnten, vielen verschiedenen Ebenen.
In der Regel schließt die Mitgliedschaft in einer Gruppe nicht die Mitgliedschaft in einer anderen Gruppe aus. Mitglieder einer politischen Partei etwa können auch eine Familie haben, einen Sportverein, eine Nationalität, Kreise oder Freunde in einem sozialen Netzwerk und so weiter.
Mitglieder einer Gruppe können von sich selbst als "wir" oder "uns" oder so sprechen. Diese Wörter drücken Identifikation mit der Gruppe wie auch mit deren weiteren Mitgliedern aus.
In gewisser Weise beinhaltet eine derartige Identifikation Abgrenzung. Vom Anderen. Aber selten in Gestalt einer klaren Grenze. Weder Art noch Form noch Umfang der Gruppe, mit der wir uns gerade identifizieren, sind normalerweise genau bestimmt.
Wer wir sind oder was wir sind wird kaum je reflektiert. Normalerweise gibt es keinen Bedarf dafür. Keinen Zweifel daran. Die Frage stellt sich gewöhnlich nicht.
Genauso stehts mit dem, was hier "Identifikation" genannt wurde: Wir identifizieren uns mit diesem oder jenem, mit verschiedenen Dingen oder verschiedenen Gruppen, ohne es zu hinterfragen, ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein.
Und ohne ausdrücklich irgendeine Mitgliedschaft oder so zu ändern...
Wir sind viele. Jede der vielen Gruppen, denen wir angehören, hat außer uns noch andere Mitglieder.
"Wir" meint nicht unbedingt eine ganze Gruppe. Sehr oft beziehen wir uns eigentlich auf ein einzelnes Mitglied. Manchmal den Sprecher selbst. Aber meistens auf niemanden Spezielles, einfach irgendjemanden, egal wen. Nicht unbedingt eine tatsächlich existierende Person. Vielleicht nur ein mögliches Beispiel.
So sind wir alles in allem sehr variabel ... flexibel ... beim Gebrauch der Ausdrücke "wir" und "uns" ... was damit gemeint ist ... womit wir uns identifizieren ... sozusagen - solange die richtigen Ausdrücke noch fehlen...
Wir ändern die Perspektive
sowie wir uns bewegen. Dinge sehen anders aus. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Von einem anderen Standpunkt aus. In einem anderen Kontext. Einer anderen Umgebung.
Ein Begriff, den wir hier häufig benutzen werden, ist "Sphäre". Irgendwie hängt er mit all dem zusammen: unserer Umgebung, unserer Perspektive, unserer Gruppe... Irgendwie hängt er mit uns zusammen.
Wir leben sozusagen in einer Sphäre. Immer - wenn auch nicht immer in derselben. Sie umgibt uns. Aber sie ist auch in uns. In gewisser Weise sind wir diese Sphäre.
Wir könnten vielleicht von einer "mentalen Disposition" sprechen. Sie bestimmt, was wir erleben. Und wie wir es erleben.
Geformt ist sie von dem, was wir früher erlebt haben. Oder, allgemeiner: von dem, was wir wissen. Egal, wie wir dazu gekommen sind.
So hat "Sphäre" etwas mit "Wissen" zu tun. Und einigen anderen Begriffen, die wir in diesem Projekt immer wieder benutzen werden. Keiner von ihnen kann ohne die anderen in seiner vollen Bedeutung erfasst und gebraucht werden. Isoliert mangelt es ihm an Sinn.
Wenn wir von "Wissen" in Kombination mit "Sphären" und "mentalen Dispositionen" sprechen, so mag das der Idee Nahrung geben, dass wir höchst subjektive Themen behandeln. Viele von uns, insbesondere wissenschaftlich Gebildete, finden derartige Überlegungen fruchtlos, wenn nicht fehlgeleitet. Die wirklichen Ursachen von allem, die physischen Wurzeln, verfehlend. Heutzutage werden geistige Phänomene allgemein als Produkte oder Funktionen unseres Gehirns, das Teil unseres physischen Körpers und somit der physikalischen Welt ist, betrachtet.
Sollen wir uns wirklich um Dinge kümmern, die nur in einem individuellen Gehirn existieren? Spielt es eine Rolle, was ich denke? Oder irgendein anderes einzelnes Individuum?
Doch das, worum es hier eigentlich geht, ist ein Übergang. Der gerade stattfindet. Und nicht nur ein persönlicher ist, sondern nahezu global zu beobachten ist. Es ist der Übergang von "mir" zu "uns", von "ich" zu "wir".
Aus Eins wird Viele. Aber keine indifferente Masse. Traditionelle Massen waren homogen, sie wurden zentral gesteuert, reagierten langsam, gehorchten den strikten Gesetzen der Trägheit bzw. allmächtigen Führern. Jetzt aber haben wir Netzwerke interagierender Menschen. Was alles ändern kann. Wie - das soll hier erörtert werden.
So geht es auch um den Übergang von toter Objektivität - nicht etwa zu leerer isolierter Subjektivität - sondern zu lebendiger Inter-Subjektivität. (Wobei auch dieser Begriff sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein wird.)
In diesem Kapitel sind wir noch dabei, den Boden zu bereiten. Darum reden wir über Dinge, die später nie wieder so ausführlich behandelt werden. Etwa die Bedeutung bzw. den angemessenen Gebrauch von Wörtern wie "uns" und "wir". (Die wir natürlich auch weiterhin immer wieder benutzen werden.)
Wissen und die Sphären und all diese Dinge können nicht von uns isoliert werden. Wir bleiben verbunden. Und das ist tatsächlich die Quelle von allem.